Familiäre juvenile Polyposis (FJP)
Krankheitsbild und Symptome
Bei der Familiären Juvenilen Polyposis (FJP) handelt es sich um ein sehr seltenes erbliches Krankheitsbild, welches durch das Auftreten vieler „juveniler Polypen“ gekennzeichnet ist. Wenn – wie in über 90 Prozent der Fälle – nur ein einzelner juveniler Polyp gefunden wird, ist in der Regel kein Zusammenhang zu einer familiären (erblichen) Polyposisform zu sehen. Die Polypen finden sich insbesondere im Dickdarm, Magen und Dünndarm. Die Anzahl der Polypen und das Erkrankungsalter variieren dabei auch innerhalb einer Familie stark. Juvenile Polypen des Dickdarms sind die häufigsten Polypen des Kindesalters, sie können aber auch im Erwachsenenalter auftreten. Juvenile Polypen gehören zu den hamartomatösen Polypen, sie sind oft entzündlich verändert und an der Oberfläche erodiert. Bei stärkerem unbehandeltem Polypenbefall können deshalb eine chronische Blutung des Magendarmtraktes mit Entwicklung einer Blutarmut (Anämie) und ein Proteinverlust (Hypoproteinämie) sowie eine damit verbundene Entwicklungsverzögerung (bei Kindern) auftreten.
Klinische Symptome einer hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie (eine krankhafte Erweiterung der Blutgefäße im Gesichtsbereich und in den Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes; auch HHT oder M. Osler-Rendu-Weber genannt) treten fast ausschließlich bei Trägern einer SMAD4-Mutation auf (s. unten).
Juvenile Polypen sind gutartig, sie können jedoch auch entarten. Patienten mit Familiärer Juveniler Polyposis haben nach derzeitigem Wissen unbehandelt ein hohes Risiko, bis zu ihrem 60. Lebensjahr an Dickdarmkrebs zu erkranken. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko für Magen-, Dünndarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Die Diagnose einer Familiären Juvenilen Polyposis wird klinisch gestellt. Der Verdacht besteht, wenn entweder mindestens fünf juvenile Polypen bei einem Patienten gefunden werden, wenn juvenile Polypen außerhalb des Dickdarms nachgewiesen werden, oder wenn bei Vorliegen eines juvenilen Polypen noch weitere Familienmitglieder mit juvenilen Polypen bekannt sind.
Erbgang und Wiederholungsrisiko der FJP
Die Familiäre Juvenile Polyposis wird autosomal-dominant vererbt. Kinder von betroffenen Personen haben daher unabhängig vom Geschlecht ein Risiko von 50 %, ebenfalls Anlageträger zu sein. Das Krankheitsbild tritt jedoch nur in 20 bis 50 Prozent der Fälle in familiärer Form auf. Das relativ häufige sporadische Auftreten wird einerseits durch eine vermutlich hohe Rate an Neumutationen und andererseits durch die starke Variabilität des Krankheitsbildes erklärt.
Als Ursache der juvenilen Polyposis wurden in etwa 30 % Mutationen (Punktmutationen und große Deletionen) im SMAD4-Gen (MADH4, DPC4-Gen) und in 20-25 % im BMPR1A-Gen gefunden (weitere Informationen zur Veranlassung einer Diagnostik finden einsendende Ärzte hier). Es bestehen klare Genotyp-Phänotyp-Korrelationen: Patienten mit einer SMAD4-Keimbahnmutation haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Magenpolypen und Magenkrebs sowie für eine hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT, Morbus Osler-Rendu-Weber). Außerdem gibt es wahrscheinlich noch weitere, bislang nicht identifizierte Gene, die in ihrer veränderten Form ebenfalls zum Auftreten einer Familiären Juvenilen Polyposis führen.
Früherkennungs-Untersuchungen bei der FJP
Die Vorsorgeuntersuchungen bei der FJP sollten bei erkrankten Personen, allen Risikopersonen mit nachgewiesener Mutation und allen Risikopersonen, die sich nicht vorhersagend testen lassen möchten, durchgeführt werden. Derzeit wird folgendes Vorgehen empfohlen:
Ab dem 10. bis 15. Lebensjahr:
- Komplette Darmspiegelung alle 1 bis 3 Jahre, abhängig vom Befund
- Magen-Zwölffingerdarm-Spiegelung alle 1 bis 3 Jahre, abhängig vom Befund
- Regelmäßige Überwachung von Blutbild und Ultraschallkontrolle des Bauchraumes
Bei schweren Verläufen kann die teilweise oder komplette Entfernung des Dickdarms (Kolektomie) erforderlich sein.
Bei SMAD4-Mutationsträgern wird ein Screening auf vaskuläre Malformationen in den ersten Lebensmonaten empfohlen.
Vorhersagende (prädiktive) Diagnostik bei der FJP
Sollte bei einem Familienmitglied im Rahmen der prädiktiven Diagnostik das Vorliegen der in der Familie nachgewiesenen Mutation ausgeschlossen werden, so besteht bei dieser Person gegenüber der Allgemeinbevölkerung kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Dickdarmkrebs oder anderer, bei FJP gehäuft auftretender Tumoren (jedoch das Krebsrisiko der Allgemeinbevölkerung). Die Durchführung des oben genannten regelmäßigen FJP-Früherkennungs-Programmes wäre bei dieser Person (Nicht-Anlageträger) nicht mehr notwendig. Nicht-Anlageträger sollten die Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen wahrnehmen, die auch der Allgemeinbevölkerung empfohlen werden.
Sollte bei einem Familienmitglied im Rahmen einer prädiktiven Diagnostik das Vorliegen dieser Mutation jedoch nachgewiesen werden, besteht für dieses Familienmitglied ein sehr hohes Risiko, im Laufe des Lebens zu erkranken. Aus diesem Grund werden diesem Angehörigen die regelmäßigen FJP-Früherkennungs-Untersuchungen weiterhin empfohlen.
Links / weitere Informationen
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