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Serratiertes / hyperplastisches Polyposis-Syndrom

Krankheitsbild

Bei dem serratierten Polyposis-Syndrom (SPS), das auch als hyperplastische Polyposis bzw. hyperplastisches Polyposis-Syndrom (HPS) bezeichnet wird, handelt es sich um ein seltenes, meist sporadisch (das heißt als Einzelfall in einer Familie) auftretendes und bisher schlecht definiertes Krankheitsbild, über dessen genetische Grundla­gen noch wenig bekannt ist.

Als diagnostische Kriterien (WHO) gelten derzeit viele (über 20) oder große hyperplastische bzw. serratierte Polypen (mind. 2 von 5 Polypen  größer als 1 cm), die betont im rechtsseitigen Dickdarm liegen (oberhalb des Sigmas). Ein weiteres Kriterium ist der Nachweis einer hyperplastischen Polyposis bei einem erstgradig Verwandten.

Die Beschreibung und Klassifikation hyperplastischer Polypen hat sich in den letzten Jahren stark weiterent­wickelt und ausdifferenziert. Unter dem Begriff hyperplastische Polypen bzw. serratierte Polypen werden heute sowohl hyperplastische Polypen im engeren Sinne wie auch sessile serratierte Adenome und traditionelle serratierte Adenome sowie Mischformen zusammengefasst. Beim SPS ist das Vorkommen insbesondere sessiler serratierter Adenome typisch. Diese scheinen nach heutigem Verständnis das höchste Potential zur Entartung in Dickdarmkrebs zu haben, man spricht hier auch vom serratierten Weg der Darmkrebsentstehung.

In den bisher publizierten retrospektiven Untersuchungen größerer Patientenzahlen zeigte sich, dass das SPS mit einem nennenswerten Dickdarmkrebsrisiko einhergeht (etwa 30% der Patienten in den untersuchten Kollek­tiven hatten bei Erstdiagnose Dickdarmkrebs), eine spezifische Risiko­einschätzung im Einzelfall ist derzeit allerdings nicht möglich. Bei den erstgradig Verwandten eines Betroffenen wurde ein bis zu 5-fach erhöhtes Dickdarmkrebsrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung errechnet. Zudem zeigte sich, dass auch bei engmaschig durchgeführten Dickdarm-Spiegelungen zwischen den einzelnen Vorsorge-Kolosko­pien Dickdarmkrebs auftreten kann (sog. Intervallkarzinome), insbesondere wenn in den vorausgehenden Koloskopien nicht alle Polypen abgetragen wurden. Zum Teil fand sich eine statistisch signifikante Beziehung zwischen der Polypenzahl und dem Auftreten von serratierten Adenomen und dem Krebsrisiko.

Genetische Hintergründe

Die genetischen Ursachen der hyperplastischen Polyposis sind bis heute weitgehend unbekannt. Hinweise auf einen klar dominanten oder rezessiven Erbgang ergeben sich nicht, so dass bei dem meist sporadischen Auftreten der Erkrankung heute am ehesten von einer multifaktoriellen Ursache ausgegangen wird, bei der neben Umwelt­faktoren genetische Veränderungen in zahlreichen, heute noch unbekannten Genen mit zur Entwicklung der Erkrankung beitragen. In einzelnen Familien mit einem dominanten Erbgang wurden vor kurzem Keimbahn-Mutationen im RNF43-Gen entdeckt.

Differentialdiagnostisch kann eine MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) in Betracht gezogen werden. Dabei handelt es sich um ein adenomatöses Polyposis-Syndrom des Dickdarms. In einzelnen Fällen wurden hierbei aber auch so viele hyperplastische Polypen beschrieben, dass die diagnostischen Kriterien eines SPS formal erfüllt waren (weitere Informationen zur Veranlassung einer Diagnostik finden einsendende Ärzte hier).

Da bei dem Großteil der SPS-Patienten die Ursache bislang nicht geklärt werden konnte,  versuchen wir in einem aktuellen Forschungsprojekt am Institut für Humangenetik der Universität Bonn durch den Einsatz neuer Untersuchungsmethoden mögliche weitere genetische Ursachen der Erkrankung aufzuklären. Neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet können zu einem besseren Verständnis der Erkrankung, aber auch zu einer besseren Diagnostik und individuelleren Patientenbetreuung beitragen.

Behandlung des HPS und Krebs-Früherkennungs-Empfehlungen

Bisher existieren allerdings keine allgemein akzeptierten Standards bezüglich Therapie und Früherkennungsempfehlungen.

In den relevanten Fachartikeln zum Thema SPS der letzten Jahre wird wiederholt empfohlen, etwa alle ein bis zwei Jahre Koloskopien durchzuführen (ggf. häufiger). Hierfür wird zur besseren Erfassung der häufig flachen Polypen der routinemäßige Einsatz der Chromoendoskopie empfohlen. Nach Möglichkeit sämtliche Polypen (zumindest ab einer Größe über 5 mm) abzutragen. Ist dies nicht möglich, kann ggf. auch eine operative Behandlung notwendig sein.

Für die erstgradig verwandten Familienangehörigen von betroffenen Personen (Eltern, Geschwister und Kinder) erscheint derzeit eine komplette Dickdarmspiegelung 5 Jahre vor dem Diagnosealter des betroffenen Patienten, spätestens aber ab dem Alter von 35 Jahren und bei unauffälligem Befund weitere Verlaufskoloskopien alle 3 bis 5 Jahre angemessen. Sollten bei diesen Kolosko­pien Polypen festgestellt werden, richtet sich die Empfehlung weiterer Vorsorgeuntersuchungen nach dem jeweiligen Befund.